Eine Reise durch 800 Jahre Marburg beginnt!

Eine Reise durch 800 Jahre Marburg beginnt!

Mit Lilo und Romi unterwegs in Marburg

Die ersten warmen Tage des Jahres haben Lilo und Romi vor die Glasfassade eines modernen Cafés in der Marburger Oberstadt gelockt. Romi ist Gastronomin und Lilo war noch bis vor kurzem Referendarin für Deutsch und Geschichte an einem Gymnasium. Doch heute hat sie ihren letzten Unterrichtsbesuch gemeistert und nun gilt es, ihre Zukunft als Lehrerin zu feiern. Die Freundinnen stoßen ihr zu Ehren mit einem Getränk an, dass genauso heißt wie sie selbst: LILO. Die Namensvetterin nippt an dem kühlen Glas. Während sie die komplexen Geschmacksnoten des kühlen Getränks auf sich wirken lässt, stellt sich langsam eine Verschiebung in ihrer Wahrnehmung ein.

Ganz bewusst fokussiert sie sich auf ihre Umgebung, auf das Kopfsteinpflaster, die Fassaden der Fachwerkhäuser und die Spazierenden, deren Kleidung sie an ihre Mutter auf Fotos aus den 1980ern erinnern. Es fällt ihr nicht schwer, sich in eine Flaneurin aus dieser Zeit hineinzuversetzen und eigentlich kann sie in ihrer Vorstellungskraft sogar noch weiter zurückgehen. Lilo stellt sich vor, dass sich die Glasfassade neben ihr in einen transparenten Nebel auflöst und dass sich ihr dahinter kein Szenecafé, sondern eine mittelalterliche Gaststube präsentiert. Zeitgleich schwillt die Geräuschkulisse an.

Klang und Aromen vergangener Zeiten

Dumpfe Hammerschläge auf klirrendem Metall mischen sich mit den derben Rufen der Marktschreier und dem Klappern von Hufen auf unbefestigten Straßen. Der aufgewärmte Duft der Frühlingsbrise ist einer beißenden Kombination aus Schweiß, Heu und nassem Holz gewichen, die Lilos Nase uneingeladen überreizt.

Aus Richtung der Gaststube mischt sich nun auch ein salziges Aroma in die Mischung. Der Ursprung muss die Arbeit der plötzlich ungemein plastischen Wirtin sein, die gerade frische Ziegenmilch in einem gebrannten Tongefäß zu zähem Rohmilchkäse anrührt.

Lilo schüttelt den Kopf um eine anfliegende Geruchswolke zu zerstäuben. Während sie so schüttelt, verjagt sie nach und nach auch die etwas zu real gewordene Fantasiewelt um sich herum. Die Augen öffnend blickt sie in die leicht besorgte Miene von Romi. Um ihre bestimmt offensichtliche kurze Entrückung zu erklären, berichtet Lilo ihr von ihrem Tagtraum und ganz wie erwartet ist Romi, eine bekennende Liebhaberin von Rebecca Gablé und The Witcher, schnell begeistert von der Idee imaginärer Zeitreisen.

Sie denken sich nun gemeinsam in ihr damaliges Leben hinein, in den Alltag als junge Frauen in einem noch unbestimmten Teil des Mittelalters, vielleicht des vierzehnten oder dreizehnten Jahrhunderts. Ihre Lebensrealität zwischen den Stunden in Küche und Stall hätte Lilo nicht einmal von einer Zukunft als Schülerin, geschweige denn Lehrerin träumen lassen. Während die kühle Flasche auf dem Tisch sich immer weiter leert, schweifen Romi und Lilo in Gedanken zwischen Adeligen und Burgen umher und im Strom der Jahrhunderte werden sie von der neugotischen Alten Universität bis vor die Tore der frühgotischen und gewaltigen Elisabethkirche gespült.

 

Text: Daniel Gnad